Archive für September 2011

Nestflüchter

Früher habe ich es genossen, mich in dem Moment kurz nach dem Aufwachen noch ein bisschen in den Laken zu räkeln, heute werde ich immer mehr zum „Nestflüchter“ und verlasse das Bett so schnell ich kann! Hat wohl primär damit zu tun, dass mein Bett zu einem Ort mutiert ist, an dem ich Gefahr laufe, von meiner Decke oder dem Kopfkissen erstickt zu werden und zu absoluter Inaktivität verdammt bin! Im Sessel kann ich atmen, kommunizieren, um Hilfe klingeln, mich ablenken, mich und andere beschäftigen. Keine Frage also, wo ich den Großteil meiner Zeit hier zu finden bin.

Aber wie alles, das man übertreibt, sind auch hier die ersten Begleiterscheinungen aufgetreten: die Haut an meinem Hintern wird so langsam dünn. Bis heute hatte ich immer gedacht, Blasen, Schwielen oder Abschürfungen könnte ich mir nur beim Sport einhandeln! Unvergessen der Zustand meiner Füße, nachdem Jens und ich im Eidinghausener Freibad den Fehdehandschuh zweier Kids zum (Barfuß-)Fußball nicht liegen lassen konnten. Anderthalb Stunden später waren die Kids fertig mit der Welt - genau wie unsere Füße! Ich habe lediglich ein Zischen vermisst, als ich sie ins Wasser getaucht habe. So von Blasen und Abschürfungen bedeckt waren sie noch nie. Aber es gab auch niemals zuvor einen solch rekordverdächtigen Ausbruch an Gedankenlosigkeit und Unvernunft. Jetzt habe ich gelernt, dass auch exzessives Sesselsitzen zu Verletzungen führen kann. Derzeit fliehe ich so gegen 8:30 Uhr aus dem Bett; retour geht’s gegen 2:30 Uhr. Macht etwa 18 Stunden „draußen“, abzüglich -über den Daumen- einer Stunde für Toiletten- und Waschgänge. Bleiben erschreckende 17 Stunden!

Da kann die Hinterbacke schonmal schmerzen - vor allem, wenn man keinen Arsch mehr in der Hose hat. Wenn ich mein derzeitiges Gewicht erraten sollte, würde ich näher an 40 als an 50 tippen. Für die Bestatter wird’s beizeiten jedenfalls keine ’schwere’ Aufgabe werden ;-)

Jetzt liegt eine bezogene Schaumstoffunterlage unter meinem Hintern und alles ist wieder gut! Das nächste sind meine Schulterblätter…

DBDDHKP

DBDDHKP (UKKU)

Kann mit dem Kürzel noch jemand etwas anfangen? Ich lasse das jedenfalls erstmal hier stehen. Hinweis: ist ein Spruch aus fernen Kindertagen und wer tatsächlich damit etwas anfangen kann, hat wohl schon viele Winter gesehen… ;-)

Mein Doc riet mir dringend, mal etwas mehr über meine Empfindungen mit den Alltagsproblemen abzulassen. Ich meckere, aber jammere nicht gerne öffentlich. Denkanstoß war wohl sein gestriger Besuch hier. Er kam nämlich gerade, als ich nach Hilfe geklingelt hatte. Mein Kissen war platt und bot dem Kopf keinen Halt mehr. Eine gewisse Zeit stört mich das nicht, aber irgendwann mal möchte ich meinen Kopf zurücklehnen und die Halsmuskeln entspannen. Das geht aber nicht, wenn ich den Kopf zurücklehne, er dann zur Seite und anschließend nach vorne kippt.

Das Kissen auszurichten, die passende Sesselneigung dazu zu finden, dauerte trotz erfahrener Hilfe gut 20 Minuten! Wenn ich gewusst hätte, dass mein Doc im Anmarsch war, hätte ich mir das Klingeln für später aufgespart. Eigentlich besteht mein Tag dauernd aus dem Treffen dieser Entscheidungen. Wie sagte ich meinem Gegenüber: „…wenn ich den gleichen Komfort wie Sie erreichen möchte, müsste ich auf der Klingel sitzen!“ Ständig muss ich abwägen, ob die Unbequemlichkeiten oder gar Schmerzen gewichtig und zahlreich genug sind, dass ein Klingelruf gerechtfertigt ist. Oder eben nicht.

Ich versuche immer, so wenig wie möglich störend oder unterbrechend auf den übrigen Pflegebetrieb einzuwirken. Ich finde oft, dass jemand, der überlegen kann, ob er Hilfe braucht oder nicht, Hilfe nicht so dringend braucht! Es gibt Gäste, die Schmerzen haben und definitiv Hilfe benötigen. Oft empfinde ich, ALS Kranke sind nur (Hospiz-)Patienten zweiter Klasse; sie haben keine Geschwüre oder Mißbildungen, Medikamente sind nicht angesagt. Dafür umso mehr Geduld. So sitze ich auf einer Falte, die Hose zwackt, oder ein Körperteil ist leicht verdreht oder suboptimal gelagert. So oder so: 100% sind utopisch und quasi nie erreichbar, alles über 90% ist Klasse, und manchmal müssen auch 65% reichen. Alles eine Frage der Zeit … ;-)

Die 20 besten Klammerblues’

Da gaaanz viele ihr Lieblings-Klammerblueslied als Reaktion gepostet haben, stelle ich hier mal eine nicht repräsentive Top Liste online. Sie wird nach den eingehenden Kommentaren vervollständigt und dann an RTL geschickt ;-)

PS: das dazugehörende Jahr und die Geschichte finde ich persönlich am Interessantesten…

Carlos Santana - Samba Pa Ti
Wishful Thinking - Hiroshima
Nazareth - Love hurts
 Simon & Garfunkel - Bridge over troubled Water
Cat Stevens - Morning has broken
Barry Manilow - Mandy

Wen interessiert, wie sich mein körperlicher Zustand mit ALS so entwickelt:
Heute morgen, so gegen 7, wurde ich in Bauchlage wach, die Beine ausgestreckt, meine Arme lagen nach links.

Ich schaffte es nicht, durch Anwinkeln und Arbeiten mit den Beinen -so wie sonst- in eine bequemere Position zu wechseln! :-(

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